Bericht
Exportkontrolltag

Tagungsbericht zum Exportkontrolltag 2016

Krisen und Herausforderungen

Wie sehr leidet die deutsche Wirtschaft und der den zahlreichen internationalen Konflikten, wie stellt sich die Lage für Exporteure nach dem Wiener Nuklearvertrag mit dem Iran dar? Unter dem Thema „Krisen und Herausforderungen“ fand am 25. und 26. Februar 2016 der 10. Exportkontrolltag statt, veranstaltet vom Zentrum für Außenwirtschaftsrecht der Universität Münster (ZAR) und dem Bundesamt für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle (BAFA), der versuchte, auf solche Fragen Antworten zu geben. Angesichts des Jubiläums wurde nicht, wie in den Jahren zuvor, im Münsteraner Schloss getagt, stattdessen trafen sich die Rekordteilnehmerzahl von fast 500 Teilnehmer im Berliner Maritim-Hotel.

Die Verlegung der Tagung in die Hauptstadt machte es möglich, in noch stärkerem Ausmaß als in der Vergangenheit politische Repräsentanten und Referenten zu gewinnen (Bundeskanzleramtschef Altmaier, Botschafter verschiedener Staaten). Im Zentrum der Vorträge und Diskussionen standen zum einen die zahlreichen globalen Krisen und ihre Auswirkungen auf Außenhandel und Exportkontrolle, aber auch die schrittweise Aufhebung der im Rahmen des Iran-Embargos verhängten Sanktionen.

Prof. Dr. Dirk Ehlers nutze seine Eröffnungsansprache um den Erfolg des Exportkontrolltages als Gesprächsforum des Außenhandels zu betonen und die Wahl des Oberthemas auf die Zunahme internationaler Krisen und Konflikte zurückzuführen.
I. Politikforum

Mit dem ersten Vortrag im Politikforum, knüpfte Dr. Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik an seinen Vortrag zum Ukraine-Konflikt aus dem Vorjahr an. Zwar habe sich die eigentliche Konfliktlage im Laufe des vergangenen Jahres nur geringfügige verändert, allerdings haben sich im Umfeld des Konfliktes bedeutende Änderungen ergeben: Da sei zuvorderst die russische Wirtschaftskrise, befeuert durch den niedrigen Ölpreis aber eben auch durch die verhängten Sanktionen des Westens. Hier sei zumindest ein Interesse an der Aufhebung der Sanktionen gegeben, welches bislang zu einer konstruktiveren Rhetorik, nicht aber zu einer echten Kompromissbereitschaft geführt habe. Zudem hätten sich mit dem russischen Eingriff in den Syrien-Konflikt auch die russischen Prioritäten weg von der Ukraine verschoben. Demgegenüber sei aber auch die EU überwiegend mit Flüchtlingskrise und Terrorgefahr beschäftigt und hätte ein größeres Interesse daran einen modus vivendi mit Russland zu finden. Auf Basis des aktuellen und faktisch „nicht umsetzbaren“ Minsk-II Abkommen sei dies aber nicht möglich, vielmehr müssten die EU und Russland ihre bisherigen Beziehungen gänzlich „neu definieren“ um gemeinsam zu einer Konfliktlösung zu finden.

Es folgte ein Beitrag von Stéphane Chardon, Mitglied der Generaldirektion Handel der EU-Kommission, über die Perspektiven der dual-use Kontrolle auf europäischer Ebene. Dabei zeigte der Referent erste Pläne zur Novellierung des EU-Exportkontrollrechts auf, wobei es aber keineswegs um eine „Revolution“, sondern um eine Verbesserung des - ohnehin schon guten - Systems der Verknüpfung von nationaler und europäischer Exportkontrolle ginge. Zum einen sei geplant trennschärfere Definitionen im Bereich der dual-use Kontrolle heranzuziehen und damit die Rechtssicherheit zu erhöhen, zum anderen sei auch der tatsächliche Kontrollmechanismus in Zukunft zu vereinfachen. Von besonderer Bedeutung sei darüber hinaus auch die einheitliche Umsetzung des Exportkontrollrechts in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten.

Guido Müller, Vize-Präsident des BND, sprach im Anschluss über das Verhältnis von Exportkontrolle und nachrichtendienstlicher Tätigkeit. Er beschrieb dabei die Unsicherheit in welcher sich zahlreiche Exporteure angesichts der ausgesprochen schwierigen Differenzierung zwischen rein zivilen und dual-use-Exporten und der krisenhaften Weltlage befinden. Diesen Unsicherheiten beim Export machen möglichst genaue Lagebilder über Vorgänge im Ausland auch aus Sicht der Exporteure notwendig, anders lasse sich zwischen normalen und illegalen Exporten im Hinblick auf den Endverbraucher nicht differenzieren - insofern sehe sich der BND als Unterstützer der deutschen Exportwirtschaft.

Als letzter Referent des Politikforums äußerte sich Oliver Wieck, Generalsekretär der Internationalen Handelskammer in Deutschland, zu den Erwartungen der Wirtschaft an die Exportkontrolle. Dabei stellte er zunächst klar, dass es nicht im Interesse der deutschen Wirtschaft sein könne die aktuellen Konflikte durch den Export von Waffen oder sonstigen Rüstungsgütern noch zu verstärken. Allerdings - hier knüpfte Oliver Wieck an seine Vorredner an - sei es angesichts unklarer Auslegungsmaßstäbe und unbestimmter Rechtsbegriffe aus Sicht der Unternehmen ausgesprochen schwierig die bestehenden Sanktionsregime in der Praxis umzusetzen. Auf besondere Zustimmung seitens des Auditoriums traf die Forderung das Exportkontrollrecht innerhalb der EU nicht nur auf dem Papier zu vereinheitlichen, sondern auch eine einheitliche Durchsetzung durch die Mitgliedstaaten zu gewährleisten - hier bestehe noch erheblicher Nachholbedarf, welcher zum einen die Wettbewerbsgleichheit innerhalb der EU schwäche und auch nach Außen hin den Eindruck von der Union als verlässlichen Partner störe.

II. Diskussionsforum - Der Wiener Nuklearvertrag

Am Nachmittag des ersten Tagungstages schloss sich ein Diskussionsforum zum Wiener Nuklearvertrag zwischen dem Iran und der sog. E3+3-Gruppe (Frankreich, Großbritannien, Deutschland, die EU-Kommission, sowie China, Russland und die USA), welches von Uwe Proll, Chefredakteur des Behördenspiegels moderiert wurde. Teilnehmer waren Ali Majedi, Botschafter der Islamischen Republik Iran, Li Xiaosi, Gesandter der Botschaft der Volksrepublik China, Sergej Linevitsch, Gesandter der Botschaft der Russischen Föderation, Christine Schraner Burgener, Botschafterin der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Susanne Baumann als Leiterin des Referats Abrüstung und Rüstungskontrolle des Auswärtigen Amtes.

Es zeigte sich, dass die Wiener Vereinbarungen von allen Diplomaten ausgesprochen positiv bewertet wurde. Sie wäre eine „Chance für den Iran und die internationale Staatengemeinschaft“ (Li Xiaosi) und ein „Erfolg für die Diplomatie im Nahen Osten“ (Susanne Baumann). Dabei wurde auch der tatsächliche Umsetzungsplan (sog. joint comprehensive plan of action, JCPOA) als gelungenes und zwischen Freihandel und Kontrolle ausbalanciertes Instrument bewertet, wenn auch die folgende tatsächliche Umsetzung noch mit viel Arbeit verbunden sei. Insbesondere um der Gefahr eines „snap backs“, also einer Rückkehr der Sanktionen im Falle der Vertragsbrüchigkeit, vorzubeugen müsse auf eine genaue Umsetzung des JCPOA geachtet werden, Ali Majedi versicherte vor diesem Hintergrund, dass aktuelle Investitionen - auch solche welche mit der zivilen Nutzung der Atomenergie zusammenhingen - sicher seien und der Iran seinen Teil der Vereinbarungen erfüllen werde.

Insbesondere mit Blick auf die aktuelle Situation im Nahen Osten wurde seitens der Diskussionsteilnehmer auch die Zuversicht geäußert, dass die Befreiung des Irans aus der internationalen Isolation das Land zu einem bedeutenden Stabilitätsfaktor in der Region machen könne, die konkrete Vereinbarung bringe auch die „Möglichkeit lokale Konflikte zu lösen“ mit sich (Sergej Linevitsch). Zwar sei die E3+3 Gruppe in ihrer Zusammensetzung speziell auf die Situation im Iran angepasst, allerdings ließe sich aus dem Verhandlungserfolg auch für andere Krisen ableiten, dass „nur diplomatische Lösungen dauerhaft“ seien und dass sich globale Probleme nur mit „Vertrauen und Zuversicht“ lösen ließen (Christine Schraner Burgener).

III. Keynote-Vortrag

Im Keynote-Vortrag sprach Peter Altmaier, Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, über die aktuellen politischen Rahmenbedingungen der Exportkontrolle. Diese seien in den letzten Jahren durch eine zunehmende Auseinanderentwicklung von exzellenter wirtschaftlicher Lage in Deutschland und einer unruhigen und zunehmend unsicheren Weltlage geprägt. Bedingt vor allem durch die Ukraine-, Euro- und Syrienkrise sei die „Außen- und Sicherheitspolitik zurück auf der politischen Agenda“. Zuvorderst werde dies aber aktuell durch die Flüchtlingssituation deutlich, welche sich auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen bemerkbar mache und ihren Auslöser eben in der globalen Lage finde. Peter Altmaier betonte, dass eine Lösung der damit verbundenen Probleme aber nie durch einen Staat alleine bewältigt werden könne, sondern es vielmehr enger internationaler Zusammenarbeit bedürfte. Eindringlich warnte er davor die europäische Einigung im Rahmen der Krise „leichtfertig aufs Spiel zu setzen“.

Hier schlug der Referent nun den Bogen zur Exportkontrolle: Insbesondere die sorgfältige Kontrolle des Waffenhandels wäre ein wesentlicher Beitrag zur Abrüstung im Nahen Osten und damit zur Bekämpfung der Fluchtursachen. Deshalb müsse die Kontrolle des Exportes von Rüstungsgütern im Grundsatz restriktiv verlaufen, die Frage nach der politischen Verantwortung gehe jeder wirtschaftlichen Überlegung vor, insofern gelte im Rüstungsexport ein „Primat der Politik“. Allerdings könne es in Ausnahmesituationen auch so sein, dass der Schutz von Menschenrechten sogar die Lieferung von Waffen gebiete, wie sich am Beispiel der Unterstützung der kurdischen Peschmerga Milizen zeige. Deren Beitrag Menschen vor dem Islamischen Staat zu schützen habe wiederum zur Rückkehr einiger Flüchtlinge in mittlerweile befreite Gebiete im Nordirak geführt. Es sei im Ergebnis also geboten jede einzelne Exportentscheidung am Einzelfall orientiert zu treffen. Dabei sei es mittelfristig auch nötig die einheitliche Anwendung des Exportkontrollrechts innerhalb der Union zu realisieren - eine funktionierende Exportkontrolle sei schlechterdings „unverzichtbar“.

IV. Rechtsprechungs-Forum

Nach der Begrüßung durch Prof. Dr. Hans-Michael Wolffgang begann der zweite Tagungstag mit einem Vortrag von Stefan Morweiser, Oberstaatsanwalt beim BGH, zu aktuellen Urteilen zum Außenwirtschaftsstrafrecht. Wie schon bei seinem Vortrag im Vorjahr stellte der Referent drei aktuelle Entscheidungen vor die von hoher praktischer Relevanz seien:

Zum einen ging es um die gesetzgeberische Gleichstellung von Verkauf und Ausfuhr im Rahmen eines strafbaren embargowidrigen Exportvorganges gem. § 74 AWV. ^1 Das Verkaufsverbot greife bereits, wenn das Geschäft so hinreichend konkretisiert sei, dass die wesentlichen Vertragsbestandteile feststünden. Das Verkaufsverbot sei, seit der Neufassung des § 74 AWV im Jahre 2013, ein eigenständiges gesetzlich normiertes Unrecht und keine mitbestrafte Vortat der Ausfuhrhandlung - Ausfuhr und Verkauf würden so ggf. in Tateinheit stehen.

Darüber hinaus berichtete der Oberstaatsanwalt über die Auseinandersetzung des BGH mit der Rechtsnatur von Sensibilisierungsschreiben und Unterrichtungen, sowie den Anforderungen an den Gehilfenvorsatz im Außenwirtschaftsstrafrecht. ^2 Zudem hatte sich der BGH mit der Abgrenzung der Begriffe von Lieferung und Ausfuhr nach § 18 AWG befassen müssen, wobei es bei der Lieferung genügen würde, dass die Ware den Empfänger erreiche der die Ware im Embargoland verwenden wolle, die Ausfuhr dagegen aber schon den Grenzübertritt erfordern würde. ^3

V. Praxisforum

Das letzte Forum der Tagung begann mit einem Beitrag von Dr. Bernhard Schlagheck, Unterabteilungsleiter des Auswärtigen Amtes über die internationalen Herausforderungen der Exportkontrolle. Erneut wurde klargestellt, dass sich Exportkontrollpolitik nur unter aufmerksamer Beobachtung der globalen Sicherheits- und Menschenrechtslage betreiben ließe. Dabei seien die Bewertungsschwierigkeiten angesichts einer, gegenüber dem kalten Krieg, fehlenden „klaren Schlachtlinie“ enorm geworden - eine Einteilung in zulässige und unzulässige Handelspartner wäre nur anhand einer sorgfältigen Abwägung zwischen Sicherheit, Menschenrechtslage und Freiheit des Außenhandels möglich. Unerlässlich für eine funktionierende staatliche Exportkontrolle sei ein kritischer Dialog der befassten Behörden mit der deutschen Exportwirtschaft.

Sodann sprach Karl Wendling, Leiter der Unterabteilung Außenwirtschaftsrecht beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, über die jüngsten außenwirtschaftlichen Entwicklungen. Er stellte zunächst klar, dass trotz des Oberthemas „Krisen und Herausforderungen“ von einer Krise der Exportkontrolle keine Rede sein könne, allenfalls Herausforderungen stellten sich. Tatsächlich erfahre die Exportkontrolle eine erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit, was auch mit einer Vielzahl an parlamentarischen Anfragen beim BMWi einhergehe. Als wichtigstes außenwirtschaftsrechtliches Thema des letzten Jahres bezeichnete der Referent die teilweise Aufhebung der Iran-Sanktionen und die Einführung von sog. Post-Shipment-Kontrollen, also der Überprüfung von Ausfuhrgütern im Empfängerstaat. Einen „neuen Weg in der Exportkontrolle“ sah Karl Wendling in der Belieferung der Peschmerga-Milizen, hier genieße der Waffenexport in der Öffentlichkeit ausnahmsweise einen breiten Rückhalt.

Es folgte ein Co-Referat Thomas Mazet, Bundesministerium der Finanzen, und Jürgen Hartlich, Direktionspräsident der neu geschaffenen Generalzolldirektion, über die Neuorganisation des Zolls und die Errichtung der Generalzolldirektion zu Beginn des Jahres 2016. Sie betonten, dass sich der Zoll als Partner der deutschen Wirtschaft sehe und die Neuorganisation des behördlichen Apparats eben diesen „serviceorientierten Ansatz“ stärke.

Als letzten Beitrag des Exportkontrolltages 2016 berichtete Holger Beutel, Unterabteilungsleiter BAFA, über „Neues aus dem BAFA“. Er stellte Verfahrensanforderungen im Zusammenhang mit den aufgehobenen Iran-Sanktionen dar und wies insbesondere auf die dort bestehende Besonderheit der sog. Procurement Working Group hin, einer Instanz der UN welche im Rahmen bestimmter dual-use-Exporte hinzugezogen wird und somit eine besondere Hürde bei der Güterausfuhr darstellen kann.

Prof. Dr. Hans-Michael Wolffgang schloss die Tagung und dankte Referenten, Organisatoren und Teilnehmern.


  1. [*] Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl Öffentliches Recht III der Bucerius Law School Hamburg von Prof. Michael Fehling und ehemalige studentische Hilfskraft am Zentrum für Öffentliches Wirtschaftsrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.