Tagungsbericht zum Exportkontrolltag 2013
Rüstungsgüter an Saudi-Arabien
Sollten Rüstungsgüter an Saudi-Arabien exportiert werden, um ein militärisches Gegengewicht zum Iran zu schaffen? Müsste der Bundestag vor Ausfuhrentscheidungen des Bundessicherheitsrats beteiligt werden? Diesen und weiteren Fragen der Exportkontrollpolitik widmete sich der 7. Exportkontrolltag am 28. Februar und 1. März im Münsteraner Schloss, veranstaltet vom Zentrum für Außenwirtschaftsrecht e. V. in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Prof. Dr. Ehlers begrüßte die Teilnehmer und Referenten aus Politik, Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft und ging auf die aktuelle Lage der deutschen Exportwirtschaft ein: Sie habe im vergangenen Jahr Waren im Wert von knapp 1,1 Billionen Euro ausgeführt und sich somit um 3,4 % gesteigert. Zugleich bereite die Sicherheitslage im Nahen Osten Probleme, sodass immer mehr Embargos verhängt werden. Auch Dr. Arnold Wallraff, Präsident des BAFA, erläuterte die Konfliktlage: Es gelte das Prinzip „soviel Außenhandelsfreiheit wie möglich, soviel Kontrolle wie nötig!“ Deutschland müsse als führende Exportnation ein großes Interesse an Verantwortung haben.
Im Sicherheitsforum schilderten Dr. Dietrich Herle und Viktor Elbling, Vertreter des Bundesnachrichtendienstes und des Auswärtigen Amtes, die aktuellen Gefahren bei Exporten nach Iran, Syrien oder Nordkorea: Iran arbeite an der Entwicklung von Raketensprengköpfen und sei dabei auf Importe angewiesen. Oft würden Endempfänger in China und Malaysia vorgetäuscht, die Waren dort umetikettiert und geltende Sanktionen dadurch umgangen.
Botschafter Prof. Dr. h.c. Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchener Sicherheitskonferenz, zeigte sich skeptisch gegenüber immer neuen Sanktionen: „Sind Sanktionen das Einzige, was Politikern einfällt, wenn ihnen sonst nichts mehr einfällt?“ Er hinterfragte den Nutzen des deutschen Prinzips, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern – die Abwägung der Sicherheitsinteressen könne auch erfordern, Rüstungsgüter zu exportieren, beispielsweise an Israel. Es könne durchaus vorteilhaft sein, die Oppositionellen in Syrien auszurüsten, um in einem neuen Syrien nach dem Assad-Regime Freunde zu haben. Es sei vielleicht an der Zeit, die deutsche Kultur der Zurückhaltung in Frage zu stellen.
Prof. Dr. Eberhard Sandschneider (Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik) widersprach insofern, als er keine solche Kultur in der deutschen Außen- und Exportkontrollpolitik der Vergangenheit erkennen könne. Er skizzierte im Übrigen die Entwicklungen in Südostasien; hier sei es besonders wichtig, die Gefahr doppelter Standards als Glaubwürdigkeitsproblem zu vermeiden.
Im Politikforum diskutierten MdB Katja Keul (B.90/Grüne), Viktor Elbling (Auswärtiges Amt), Karl Wendling (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) und Prof. Dr. Wolffgang (ZAR) unter der Moderation von Dr. Michael Inacker (Handelsblatt) die Einbindung der nationalen Ausfuhrkontrollen in eine europäische Sicherheitspolitik. Keul bemängelte, es gebe keine europäische Kontrollinstanz an der EU-Außengrenze – ein Alleingang 27 nationaler Rüstungsindustrien in Europa sei ein „sicherheitspolitischer Kamikaze“. Auch die im politischen Berlin als „Merkel-Doktrin“ bezeichnete Strategie, Waffen in Krisengebiete zu liefern, statt Soldaten zu entsenden, wurde kontrovers beurteilt. Prof. Dr. Wolffgang sah diese Entscheidung juristisch vom politischen Ermessen der Bundesregierung gedeckt, während Keul politisch forderte: „Kriegswaffen haben in Drittländern nichts zu suchen!“
Im Fachforum „Aktuelle Entwicklungen“ informierte Jörg Ranau (Auswärtiges Amt) über den internationalen Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty, ATT) und die zu Ende März anstehende UN-Konferenz in New York: Ziel sei es, diesen Vertrag nun rechtsverbindlich auf UN-Ebene durchzusetzen. Karl Wendling ging auf die Novellierung des AWG ein, z. B. auf die Möglichkeit einer Selbstanzeige, um ein Bußgeldverfahren abzuwenden. Peter Bille (Bundesministerium der Finanzen) erläuterte die Entwicklung im Zollrecht, besonders den Zollkodex der Union. Dr. Klaus Pottmeyer (Rheinmetall AG) schilderte die Umsetzung der ICT-Richtlinie zur Verbringung von Verteidigungsgütern aus der Sicht eines betroffenen Unternehmens und forderte die Unternehmen auf, sich zertifizieren zu lassen.
Abschließend beleuchtete Staatssekretärin Anne Ruth Herkes (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) die Herausforderung, die Balance zu halten zwischen den Risiken der Exportkontrolle – der Proliferationsgefahr – und dem Ziel, ein Umfeld für deutsche Unternehmen zu schaffen, in dem sie ihre Stärken voll entfalten können. Wettbewerbsfähig würden sie nur bleiben, wenn sie ihre Produkte im Ausland anbieten können. Die Rufe nach verstärkter Parlamentsbeteiligung nehme sie sehr ernst, doch eine Beteiligung vor der Entscheidung des Bundessicherheitsrats sei ausgeschlossen, da das Grundgesetz diese Aufgabenverteilung so vorschreibe und die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Firmen gewahrt werden müssen; außerdem könnten die außenpolitischen Beziehungen Deutschlands Schaden nehmen. Insgesamt strebe sie eine Exportkontrolle mit den Unternehmen an, nicht gegen sie.
Prof. Dr. Wolffgang dankte allen Teilnehmern und den Referenten und gab die Bitte mit auf den Weg, bei handelspolitischen Verträgen die Handhabbarkeit für die Unternehmen nicht zu vergessen.
Impressionen vom 7. Exportkontrolltag 2013 im Film
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[*] Der Verfasser Holger Stellhorn ist Rechtsreferendar am Landgericht Münster. ↩