Bericht
16. Außenwirtschaftsrechtstag 2011

16. Außenwirtschaftsrechtstag 2011 in Münster

Rechtsfragen des internationalen Rohstoffhandels

Rechtsfragen des internationalen Rohstoffhandels sind von eminenter Bedeutung für die Zukunft der Weltwirtschaft. Das am Institut für öffentliches Wirtschaftsrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität ansässige Zentrum für Außenwirtschaftsrecht e. V. (ZAR) widmete dieser Thematik den 16. Außenwirtschaftsrechtstag, der diese Woche am 27. und 28. Oktober 2011 im Alexander-von-Humboldt-Haus in Münster stattfand. Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft trafen zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch zusammen.

Im ersten Themenblock wurden mit einer Betrachtung von „Rohstoffvorkommen und Rohstoffhandel weltweit“ die tatsächlichen Grundlagen für die sich anschließenden Rechtsfragen gelegt.

Dr. Stormy Mildner von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, sprach über „Vorhandensein, Verfügbarkeit und regionale Verteilung von Rohstoffen und Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von ausländischen Rohstofflieferungen“. Dabei analysierte sie Risiken, Konflikte und Lösungspotentiale für die deutsche Rohstoffversorgung.

Benjamin Hartmann von der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission, Brüssel, stellte „Aktuelle staatliche Beschränkungen des globalen Rohstoffhandels im Überblick“ dar. Aus einer seit 2007 erstellten EU-Bestandsaufnahme zum Handel der Union mit 19 wichtigen Staaten ergebe sich, dass die Sektoren Metalle, Landwirtschaft und Chemie am stärksten von staatlichen Exportbeschränkungen betroffen seien.

Den zweiten Themenblock – „Wirtschaftsvölkerrechtliche Fragen des Rohstoffhandels“ – eröffnete Prof. Dr. Hans-Georg Dederer von der Universität Passau, indem er die „Rohstoffausbeutung, -bewirtschaftung und -verteilung aus der Sicht des allgemeinen Völkerrechts“ analysierte. Die Rohstoffhoheit stehe nach dem Konzept der (begrenzten) Souveränität über natürliche Ressourcen jedem Staat für die auf seinem Staatsgebiet belegenen Rohstoffe zu. Begrenzt werde diese Souveränität durch die Integritätsinteressen anderer Staaten, der internationalen Gemeinschaft oder einzelner Menschen bzw. indigener Völker.

Dr. Christian Pitschas, LL.M., von der Kanzlei Bernzen Sonntag Rechtsanwälte, Genf, betrachtete den „Internationalen Rohstoffhandel aus der Sicht des WTO-Rechts“. Die von Hartmann dargelegte weite Verbreitung hoher Ausfuhrabgaben sei darin begründet, dass diese vom Gebot der Zollbindung gem. Art. II GATT nicht erfasst würden. Begrenzungen von Ausfuhrabgaben der Höhe nach seien lediglich in einigen Beitrittsprotokollen zur WTO vorgesehen, wodurch asymmetrische Verpflichtungen im WTO-System entstünden.

Im dritten Themenblock „Kartellrechtliche Fragen des internationalen Rohstoffhandels“ erläuterte zunächst Prof. Dr. Jörg Philipp Terhechte von der Universität Siegen ausländische „Rohstoffexportkartelle und -beschränkungen aus Sicht des europäischen Kartellrechts“. Bei Rohstoffexportkartellen sei zu unterscheiden zwischen (heimischen) Unternehmenskartellen, die sich ausschließlich auf den Wettbewerb auf Märkten außerhalb der EU auswirken – darauf finde das EU-Kartellrecht mangels Zwischenstaatlichkeit grundsätzlich keine Anwendung – und Kartellen im Nicht-EU-Ausland, die den Wettbewerb auf dem EU-Markt beschränkten. Bei diesen stelle sich die Frage der extraterritorialen Anwendung des EU-Kartellrechts.

Der Frage, ob sich „Rohstoffeinkaufskartelle als Strategie der Rohstoffsicherung“ aus kartellrechtlicher Sicht eignen, ging Prof. Dr. Hans-Georg Kamann von der Kanzlei Wilmer Hale nach. Kamann zeichnete anhand diverser EuGH-Fälle die kartellrechtliche Beurteilung von Rohstoffeinkaufsgesellschaften nach und arbeitete heraus, dass Einkaufskartelle ambivalente Wohlfahrtseffekte haben können. Relevant im Hinblick auf das Kartellverbot (Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB) sei entweder eine Wettbewerbsbeschränkung auf dem Beschaffungsmarkt oder, im Fall verschleierter Angebotskartelle, auf den nachgelagerten Verkaufsmärkten.

Im vierten Themenblock wurde die „Rechtliche Absicherung und Erleichterung von Rohstofflieferbeziehungen“ behandelt.

Prof. Dr. Marc Bungenberg, LL.M., von der Universität Siegen sprach über „Investitionsschutz für Rohstoffkonzessionen und Förderanlagen in Drittstaaten“. Da Rohstoffe vielfach in politisch instabilen Staaten abgebaut und dort mit der Ausübung nationaler Souveränitätsrechte in Verbindung gebracht würden, sei der Rohstoffsektor für enteignende staatliche Maßnahmen besonders anfällig. Das allgemeine Völkerrecht sehe zwar einen Mindestschutz gegen Enteignungen vor, dieser könne jedoch nur im Wege des diplomatischen Schutzes geltend gemacht werden. Unabhängiger von politischen Vorgängen sei der Schutz durch die weltweit ca. 3000 bilateralen Investitionsschutzverträge, die vielfach eigenständige Klagerechte für Investoren vor internationalen Schiedsgerichten vorsähen.

Dr. Lothar Gellert von der Fachhochschule des Bundes, Münster, erläuterte, warum das „Zollrechtliche Umwandlungsverfahren als Folge steigender Rohstoffpreise“ an Bedeutung gewinnen könne.

Im fünften Themenblock „Europäische Union als Garant sicherer Rohstoffversorgung?“ erörterte Friedrich Wilhelm von Trott zu Solz, persönlicher Referent von Prof. Dr. Godelieve Quisthoudt-Rowohl, MdEP, „Die Strategie der Europäischen Union zur Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen“. Deren Kernpunkt bildet die Rohstoffinitiative der EU-Kommission, die auf kritische Rohstoffabhängigkeiten reagieren will und aus drei Säulen besteht: (1) Sicherung des Zugangs zu auswärtigen Rohstoffen, (2) Schaffung von Rahmenbedingungen für eine dauerhafte Versorgung mit europäischen Rohstoffen, (3) allgemeine Erhöhung der Ressourceneffizienz.

Prof. Dr. Alexander Proelß von der Universität Trier untersuchte „Die Kompetenzen der Europäischen Union für die Rohstoffversorgung“. Er stellte heraus, dass der Begriff des Rohstoffs im Unionsrecht nicht einheitlich verwandt werde. Vom Drei-Säulen-Modell der Rohstoffinitiative seien zahlreiche Politikfelder betroffen, sodass sich ein „kompetenzrechtlicher Flickenteppich“ ergebe.

Der sechste Themenblock war der „Rohstoffversorgung als Herausforderung für die deutsche Politik“ gewidmet.

Dr. Henrike Sievers von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover, stellte die „Strategie der Bundesregierung zur Sicherung der Rohstoffversorgung und die Deutsche Rohstoffagentur“ vor. Deren Kernziele sind Diversifizierung von Rohstoffbezugsquellen, Steigerung von Materialeffizienz und Recycling, Transparenz und Good Governance bei der Rohstoffgewinnung sowie Aufbau bilateraler Rohstoffpartnerschaften.

Anknüpfend an die Aussagen des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler zu wirtschaftspolitisch motivierten Auslandseinsätzen der Bundeswehr ging Prof. Dr. Stefanie Schmahl von der Universität Würzburg ein auf die Frage: „Rohstoffsicherung als Grund für Auslandseinsätze der Bundeswehr?“ Nach Darstellung der seit Anfang der 1990er Jahre im Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen erfolgten Ausweitung des Friedens- und Sicherheitsbegriffs der UN-Charta, erörterte sie die Übertragbarkeit dieser Entwicklung auf einen „Krieg um Ressourcen“.

Der Tagungsband erscheint demnächst im Verlag Wirtschaft und Recht, Frankfurt am Main.