Bericht
Exportkontrolltag

Tagungsbericht zum Exportkontrolltag 2015

Exportkontrolle im Wandel

Wie reagiert die Exportkontrolle auf asymmetrische Konflikte, verschleierte Kriegsführung und neue Formen der Terrorismusfinanzierung? Dazu fand am 26./27. Februar 2015 im Münsteraner Schloss der 9. Exportkontrolltag (EKT) statt, welcher vom Zentrum für Außenwirtschaftsrecht der Universität Münster (ZAR) gemeinsam mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ausgerichtet wurde.

Unter dem Leitthema „Exportkontrolle im Wandel“ beschäftigte sich die Veranstaltung mit den aktuellen Krisen in der Welt, insbesondere dem Russland-Ukraine-Konflikt sowie der desolaten Sicherheitslage im arabischen Raum, und deren Auswirkungen auf den deutschen Export, seine Kontrolle und Überwachung.

Prof. Dr. Dirk Ehlers, Vorstand des ZAR, begrüßte die über 350 anwesenden »Experten und Freunde des Außenhandels« in der Aula des Münsteraner Schlosses.

Aufmerksamkeit verdiene der 65. Geburtstag des BAFA-Präsidenten Dr. Arnold Wallraff. Aus diesem Anlass haben Prof. Dr. Hans-Michael Wolffgang und Prof. Dr. Ehlers das Handbuch „Recht der Exportkontrolle – Bestandsaufnahme und Perspektiven“ herausgegeben. Das Werk systematisiert ein Rechtsgebiet, in dem die Außenwirtschaftsfreiheit von Unternehmern mit den außen- und sicherheitspolitischen Anforderungen in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden soll.

Dr. Wallraff bedankte sich für die besondere Ehrung. Mit den Worten »Nichts ist beständiger als der Wandel« (Charles Darwin) führte er in die Veranstaltung ein. Auch einhundert Jahre nach dem Ersten Weltkrieg seien Gewalt und Krieg nicht entmachtet, es drohe sogar eine Rückkehr des kalten Krieges durch den Ukraine-Konflikt. Russlands Kriegsführung (»Panzer ohne Nummernschild, Soldaten ohne Abzeichen, Waffen ohne Ursprungsbezeichnung«) sei eine neue Art der Eskalationsdominanz, verbunden mit einer medialen Desinformationskampagne zeige sich so die neue russische Militärdoktrin. Insgesamt zerfließe die Grenze zwischen Krieg und Frieden – eine erhebliche außenpolitische Herausforderung.

Dem Blick auf die außenpolitische Lage folgt der Blick nach innen. Die deutsche Wirtschaft habe sich seit Ende 2014 erholt und mit 1,13 Billionen Euro soviel exportiert wie noch nie. Problematisch sei jedoch der hohe Außenhandelsüberschuss von ca. 217 Mrd. Euro, welcher erneut zu Konflikten innerhalb der EU führen könnte. »Deutsche Unternehmen sind halt einfach erfolgreich«.

I. Politikforum

Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D., Leiter des ifo Zentrum für Außenwirtschaft, beschäftigte sich anhand provokanter Fragen mit Risiken deutscher Exporte. Die Exportwirtschaft sei nicht überspezialisiert und krisenanfällig, obwohl Exporte als Komponente des BIP wichtiger werden und eine höhere Volatilität mit sich bringen. Die Investitionsgüterspezialisierung werde jedoch insbesondere vom Sozialstaat als Standortvorteil und Stabilisator ausgeglichen, ein Beispiel dieser erfolgreichen »Flexicurity« sei die Kurzarbeit. Dem Vorwurf, die Exportwirtschaft sei ein »Basar«, entgegnete er, dass die Exporte auch einen steigenden Anteil an deutscher Wertschöpfung enthielten. Zudem stabilisierten internationale Wertschöpfungsketten die Wirtschaft, indem sie die Reaktionen auf Wechselkursschwankungen und nationale Lohnentwicklung verringerten. Der Außenhandel sei dennoch kein »Jobkiller«, denn der Jobgehalt deutscher Exporte liege bei über 25 %. Der Exporthandel sei auch kein »Vernichter deutscher Ersparnis«, er gefährde aber tatsächlich – im Hinblick auf die hohen Leistungsbilanzüberschüsse und den damit verbundenen Kapitalexport von über 1.500 Mrd. Euro – das Nettoauslandsvermögen durch Abwertungen und Ausfälle. Hier müsse die Binnennachfrage gestärkt und Inlandsinvestitionen erhöht werden. Das größte Risiko für die deutsche Exportwirtschaft sei jedoch die öffentliche Meinung: Wenn sie TTIP ablehne, verhalte sie sich »schizophren«, da TTIP nach den ifo-Simulationen gerade für Deutschland langfristig vorteilhaft wäre. Daher müsse die deutsche Exportwirtschaft die Globalisierungsdebatte in der Öffentlichkeit aktiv gestalten.

Dr. Stefan Meister, Programmleiter Osteuropa, Russland und Zentralasien der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sprach zur aktuellen Lage im Russland-Ukraine-Konflikt. Man müsse die Motive und Interessen Russlands besser verstehen. Die Legitimation des Systems Putin sei seit der Krise der russischen Wirtschaft im Jahr 2008 bedroht. Der Gesellschaftsvertrag in Russland verlange von der Regierung eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen, doch die hauptsächlich auf Öl und Gas basierende russische Wirtschaft konnte in den letzten Jahren nicht ausreichend wachsen. Als Reaktion kehre sich das Regime von der zaghaften Öffnung unter Medwedew ab, hin zu Repression nach innen und Konflikt nach außen. Die Annektion der Krim habe zu über 80 % Zustimmung für Putin in der russischen Bevölkerung geführt. Die EU-Sanktionspolitik sei erforderlich, um Glaubwürdigkeit zu behalten und den Zusammenhalt Westeuropas zu zeigen; Kompromisse Russlands seien jedoch nicht zu erwarten. Dort bestimme der Sicherheitsapparat mit seiner isolationistischen Ausrichtung das Geschehen. Ziel der russischen Führung sei es, Kiew dauerhaft zu schwächen und zu verhindern, dass sich die Ukraine der EU oder NATO anschließe. Eine militärische Lösung des Konflikts werde es nicht geben, das russische Militär habe bereits mehrfach in den Konflikt eingegriffen. Somit würden auch Waffenlieferungen nur zu einer Eskalation des Konflikts und mehr russischem Engagement führen.

Dr. Muriel Asseburg, Senior Fellow der Stiftung Wissenschaft und Politik, behandelte die sicherheitspolitische Lage in der arabischen Welt. Die Erinnerung an Proteste junger Menschen im »Arabischen Frühling« sei noch wach, jedoch sei der Wandel hin zu einer demokratischen und partizipativen Gesellschaft nur in Tunesien ansatzweise gelungen. Dieses Land sei wegen seiner Besonderheiten leider kein Modell für die Region. Diese durchlaufe schwierige und oft blutige Transformationsprozesse, welche eine »Aushandlung neuer Gesellschaftsverträge« darstellten. Es gehe um die Rolle der Religion und die Machtbalance ethnischer, religiöser und tribaler Gruppen in Staaten, die der Kolonialismus mit seiner willkürlichen Grenzziehung geschaffen habe. Insbesondere der Bürgerkrieg in Syrien sowie der Staatenbildungsversuch des IS destabilisierten die gesamte Region. Allerdings könne die westliche Welt wenig tun; von Polarisierung und Parteinahme sei abzuraten, insbesondere sei eine Aufrüstung von ethnischen oder politischen Gruppen nur kurzfristig sinnvoll. Leider werde die arabische Welt, besonders wegen der Verfestigung der gefährlichen konfessionellen Lesart des Konflikts, »auch mittelfristig nicht zur Ruhe kommen«.

Dr. Hans-Jakob Schindler, Mitglied des al-Qaida Sanctions Monitoring Teams des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, stellte die Unterschiede zwischen Kern-al-Kaida und der »Weiterentwicklung« DAESH (eine Abkürzung des arabischen Namens des IS) heraus. Neben der unterschiedlichen Kommandogewalt verfolge DAESH eine neue militärische Strategie: Statt auf Fernziele wie Terroranschläge sei DAESH auf Territorialität und Kalifataufbau gerichtet. Während al-Kaida eine enge Elitekultur aufweise, schlössen sich DAESH vor allem Lone Wolfs, Schläferzellen und andere Terrormilizen durch einfachen Treueeid an, erhielten aber keine finanzielle oder logistische Unterstützung. DAESH betreibe eine intensive Medienkampagne und schaffe durch »Einblicke in den Dschihad« ein romantisiertes Trugbild. Die Organisation finanziere sich geschickt durch viele Quellen, etwa Rohölschmuggel, „Steuern“ oder Antiquitätenhandel, und sei daher anders als al-Kaida nicht auf Finanzhilfen angewiesen. Zusätzlich zur Kriminalisierung von Reisebewegungen habe der VN-Sicherheitsrat weitere Sanktionen, neben Personenlisten auch Elemente klassischer Sanktionsmaßnahmen, gegen DAESH beschlossen, um ein globales und totales Embargo zu erreichen.

II. Diskussionsforum – „Rüstungsexportkontrollpolitik“

Das Forum unter Moderation von Uwe Proll, Chefredakteur beim Behördenspiegel, begann mit Impulsvorträgen der Disputanten. Karl Wendling, Unterabteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, erläuterte die vom Bundeswirtschaftsminister geforderte restriktive Exportpolitik, bei welcher Beschäftigungspolitik »keine ausschlaggebende Bedeutung« habe, eine europäische Harmonisierung wünschenswert und der Charakter als Einzelfallentscheidung zu betonen sei.

Prälat Dr. Karl Jüsten, Kommissariat der Katholischen Bischöfe – Katholisches Büro Berlin, wies darauf hin, dass die Aussage »wenn wir nicht liefern, dann liefern die anderen« kein ethisches Argument sei. Der Transfer von Mitteln der Gewalt sei nur unter engen Voraussetzungen zur Sicherung des Friedens sowie des staatlichen Gewaltmonopols an Staaten, welche die Prinzipien guten Regierens achten, zulässig. Die zunehmende Transparenz der Rüstungskontrolle sei begrüßenswert, jedoch kein Selbstzweck, daher behielten sich die Kirchen weiterhin eine kritische ethische Bewertung von Rüstungsexporten vor.

Dr. Hans Atzpodien, Vizepräsident des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V., erläuterte das Interesse Deutschlands am Rüstungsexport. Es gehe nicht vorrangig um Arbeitsplätze oder Technologietransfer in zivile Bereiche, sondern um eine leistungsfähige nationale Verteidigungsindustrie. Schlüsselfähigkeiten ließen sich jedoch ohne Exporte (ca. 40 % der Umsätze) nicht wirtschaftlich erhalten. Auch der Koalitionsvertrag bestätige diese strategische Sicht. Die Industrie wünsche sich mehr Planbarkeit und ein europaweites abgestimmtes Vorgehen, um einen deutschen Wettbewerbsnachteil zu vermeiden.

In der Diskussion wurde insbesondere die Endverbleibskontrolle thematisiert, hier wird eine Erweiterung durch die sogenannt »post-shipment-Kontrolle« nach US-Vorbild, also eine behördliche Nachschau im Empfängerstaat, erwogen.

III. Rechtsprechungsforum – Information des Parlaments über Rüstungsexporte

Prof. Dr. Stefan Korioth (Ludwig-Maximilians-Universität München), besprach das Urteil des BVerfG zum Informationsrecht der Abgeordneten des Bundestages über Rüstungsexporte, bei dem er Prozessvertreter der Bundesregierung war. Er bezeichnete das Urteil mit Blick auf die allgemeine Tendenz des Gerichts, Informationsrechte des Parlaments zu stärken, als erstaunlich, das BVerfG habe den parlamentarischen Informationsanspruch in diesem Bereich »eng gefasst«. Er bewertet das Urteil dennoch als richtig, denn es habe die Grenzen des Informationsrechts (Gewaltenteilungsprinzip, Staatswohl sowie die Grundrechte der exportierenden Unternehmen) konsequent angewendet.

Die sogenannte Voranfrage habe dem Urteil zufolge nur informationellen Charakter und liege damit ebenso wie die Entscheidungsfindung im Bundessicherheitsrat im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Bei ablehnenden Entscheidungen könnten außenpolitische Nachteile eine Information untunlich machen. Eine zu frühe oder zu detaillierte Information würde zudem berechtigte Geschäftsinteressen der Unternehmen gefährden. Daher müsse die Regierung das Parlament erst nach der Genehmigung informieren.

Ob der Bundessicherheitsrat mit Blick auf den Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 GG (»Bundesregierung«) für die Rüstungskontrolle überhaupt zuständig sein kann, konnte das BVerfG als nicht entscheidungserheblich unbeantwortet lassen, da der Bundessicherheitsrat im Verhältnis zum Bundestag jedenfalls der Bundesregierung zugeordnet werde. Wem das Urteil Unbehagen bereite, der müsse sich jedoch fragen, ob er nicht eine andere Exportpolitik wünsche und dabei die Frage nach dem Informationsrecht nur als Vehikel nutze.

IV. Praxisforum – „Aktuelle Entwicklungen“

Unter der Leitung von Georg Pietsch, Abteilungspräsident beim BAFA, wurden im Praxisforum die für die Branche relevanten aktuellen Entwicklungen diskutiert.

Dr. Bernhard Schlagheck, Unterabteilungsleiter im Auswärtigen Amt, stufte den Russland-Ukraine-Konflikt als »schwerste Krise der Nachkriegszeit« ein, welcher sich auf den Energiesektor zu verlagern drohe. Die Bundesregierung wolle die europäische Sicherheitsarchitektur erhalten, könne aber den Bruch von Völkerrecht nicht ohne Reaktion lassen. Auch Unternehmer müssten sich wie Staaten auf Spielregeln verlassen können. Daher sei eine umfangreiche Sanktionssystematik installiert worden.

Als Lichtblick gebe es zumindest keine Sprachlosigkeit, sondern häufige Gespräche auf höchster Ebene. Den Ausgang der Atomverhandlungen mit Iran könne er noch nicht vorhersehen; problematisch sei insbesondere die Symbolkraft der Urananreicherung für den Iran. Bis auf weiteres bleibe das Sanktionsregime im Kern in Kraft. Syrien sei weiterhin ein »manifester Krisenherd« mit über 80.000 zivilen Opfern im Jahre 2014 sowie einem gefährlichen Machtvakuum. Rüstungsexporte an den Golf seien weder generell gestoppt noch großzügig genehmigt worden, es handele sich weiterhin um schwierige Einzelfallentscheidungen. Die Außenpolitik verstehe sich jedoch nicht als »notorischer Exportverhinderer«.

Karl Wendling sprach sodann zu den aktuellen wirtschaftspolitischen Entwicklungen in seinem »Bericht aus Berlin: Status Quo und Trends«. Das Wirtschaftsministerium werde von parlamentarischen Anfragen zur Exportkontrolle überrollt, insbesondere gab es eine Frage zu allen Genehmigungen des Bundessicherheitsrats von 2002-2014; dies sei dann doch eher »Geschichtsforschung«. Im Bereich der Überwachungstechnik entwickle ein EU-Gremium die Güterliste fort, jedoch behalte sich die nationale Exportkontrolle eine eigenständige Ausweitung vor; das Abhören von Oppositionellen in repressiven Staaten soll verhindert werden. Zu den im letzten Jahr intensiv diskutierten Frequenzumwandlern sei die Lage nun geklärt, diese seien dual-use-pflichtig, jedoch sei eine allgemeine Genehmigung erteilt worden.

Peter Bille, Unterabteilungsleiter im Bundesministerium der Finanzen, stellte die Entwicklungen im Zollbereich dar und unterstrich die Überwachungsfunktion des Zolls. Zentral sei die Risikoanalyse, welche vom Zollkriminalamt als Präventions-, aber auch Ermittlungsorgan durchgeführt werde. Als Meilenstein stehe die Umsetzung des Unionszollkodex ab dem nächsten Jahr auf der Agenda. Bisher bestehende Genehmigungen und Verfahrensvereinfachungen sollen erhalten werden. Die AWG-Novellierung verursache auch auf Seiten des Zolls keine größeren Probleme; das neue Instrument der Selbstanzeige wurde im vergangenen Jahr 61-mal gewählt, dabei lag die bisherige Anerkennungsquote bei 54 %. Schließlich ziehe die zuständige Abteilung 3 des BMF nach Berlin um und mache ab dem 1. Januar 2016 in Bonn Platz für die neue Generalzolldirektion, deren Gründung einhergehe mit der Abschaffung der Oberfinanzdirektionen.

Holger Beutel, Unterabteilungsleiter im BAFA, berichtete »Neues aus dem BAFA«. Zu beachten seien Übersetzungsfehler in der deutschen Fassung der Anlagen zur EU-dual-use-Verordnung und dass den Anhängen I und IV nun unterschiedliche Gütereinstufungen zu Grunde lägen. Bei den Listenänderungen sei mit jährlichen »Updates« zu rechnen. Alle erteilten allgemeinen Genehmigungen seien bis zum 31. März 2016 verlängert worden. Im Ersatzteilgeschäft setze man neben einer Prozentregelung neue Sammelgenehmigungsmodelle ein. Zur Feuerwaffen-VO gebe es nun ein neues Online-Abschreibungsverfahren. Schließlich ist Anfang 2015 das Handbuch „Praxis der Exportkontrolle“ in der dritten Auflage erschienen.

Prof. Dr. Wolffgang dankte allen Referenten und den Organisatoren und schloss die Tagung mit dem Hinweis auf den 10. Exportkontrolltag, welcher für den 25. und 26. Februar 2016 vorgesehen ist.


  1. [*] Der Verfasser David Graf ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Öffentliches Wirtschaftsrecht der Westfälischen Wilhelms‑Universität Münster; der Verfasser Holger Stellhorn ist Rechtsreferendar am Landgericht Münster.